Dauerausstellung „Die Lippertsche Villa, das Schloss von Stadtfeld“

Da die Voglers nun genau 55 Jahre in der Lippertschen Villa oder besser in ihren Resten hausen, habe ich mich bemüht, so viel wie möglich über dieses Gebäude zusammenzutragen, das ja die Geschichte des letzten Jahrhunderts widerspiegelt, wie man sich es sich treffender nicht vorstellen kann.

Zwischen dem Rayonhaus Emilienstrasse 12 und dem Müllerschen Anwesen Emilienstrasse 13 gab es am Anfang des 20. Jahrhunderts ein ausgedehntes, riesiges Grundstück, das sich der Zuckergroßhändler Bernhard Lippert auserkor, um hier eine prächtige Villa zu bauen und einen großen Park anzulegen. Die Straßenfront war nicht allzu lang, so lehnte sich das Gebäude an die beiden vorhandenen Häuser an, und es wurde wahrhaftig ein Prachtbau des Eklektizismus mit Anklängen an Neorenaissance und Jugendstil, mit prächtiger Freitreppe, sich hoch auftürmenden Giebeln und Türmchen, mit Gewölben,  Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und prächtiger Innendekoration. 1904 lagen die Pläne vor, 1905 war dann alles fertig. Zu Recht war der Bauherr sehr stolz auf sein Werk, und davon zehren wir noch heute, denn er brachte einige Ansichtskarten von Innen- und Außenansichten in Umlauf, die uns das ursprüngliche Aussehen jetzt noch erkennen lassen.

Im Gegensatz dazu liegen für die Gestaltung des Parks weder Pläne noch Bilder vor, sodass man die ursprüngliche Idee nur aus der Anordnung der noch heute sehr dekorativen Großbäume, die damals gepflanzt wurden, erahnen kann. Am meisten beeindrucken uns heute die Blutbuche und der Blutahorn auf Weises Grundstück (Emilien- Privatweg 5) und die Linde und der große Ahorn in unserem Garten (Steinigstr. 12a)- allesamt über hundertjährig. Auf einer der Karten ist eine Brunnenanlage zu sehen, die sich einmal nördlich des Hauses befand und wohl beim Anlegen des Emilien- Privatweges abgetragen wurde. Die Weltwirtschaftskrise nach dem ersten Weltkrieg brachte das Ende des riesigen Reichtums, und die Lipperts entschlossen sich Anfang der dreißiger Jahre, das riesige Haus so umzubauen, dass acht Wohnungen zum Vermieten entstanden und der Park in Grundstücke für Einfamilienhäuser aufgeteilt wurde, so dass die Gebäude des Emilien- Privatweges 1-5 errichtet werden konnten. Schon damals muss der Baumbestand beeindruckend gewesen sein. Ich erinnere mich, dass mir Max Weißing erklärt hatte, dass der Grundriss seines Hauses einen damals vorhandenen Baum an der Südseite berücksichtigen musste, von dem ich allerdings nur noch den Stumpen kenne. Warum er fallen musste, ist mir unbekannt. Die Lippertsche Villa erhielt nun zusätzlich Fensteröffnungen, was an der Bauzeichnung aus den dreißiger und den Bildern aus den achtziger Jahren zu sehen ist.

Beim Bombenangriff in den Abendstunden des 16. Januar 1945 wurde die Villa von kleinen Brandbomben getroffen, die im Dachgeschoss stecken blieben und hier ein Feuer entfachten, das nach Aussagen von Max Weißing langsam über Tage das gesamte Gebäude von oben nach unten zerstörte. Da Familie Lippert nicht in Magdeburg weilte und sich auch sonst keiner um das Haus kümmerte, kam es zu einem Totalschaden. Relativ verschont blieb allein der Gartenflügel, der nördlichste Zipfel des Hauses, und hier richteten sich die Lipperts eine Notwohnung ein. Nur vereinzelte alte Bestandteile wurden gerettet, wie eine Bleiverglasung, die dann zwischen Küche und Flur angebracht wurde und nun unter der Veranda zu sehen ist. Drei alte Fliesen können noch heute an der Wand in unserer Küche gezeigt werden.

Im Jahre 1953 wurde das Grundstück in 12a und 12b geteilt und der südliche Teil (12b) wurde an Herrn Engelmann verkauft, der in den noch intakten Kellerräumen eine Dampfbügelei betrieb und zeitweise auch mit seiner Frau hier wohnte, auch hielt er Tauben und Hühner. Als Rentner lebte er in der Arndtstrasse und scherte sich kaum um das Haus. Wann er verstarb- auf jeden Fall lange nach seiner Frau, weiß ich nicht mehr; es wird wohl Anfang der achtziger Jahre gewesen sein. Erben waren nie auffindbar.

Während einiger Zeit in den fünfziger Jahren existierte noch eine Malerwerkstatt in den jetzigen Kellergalerieräumen unseres Hauses. In den sechziger Jahren wurden in einer illegalen Aktion durch einen Betrieb drei Garagen auf dem Hof errichtet und im Garten von 12b kam es zum Schwarzbau von mehreren Garagen.

1972 kauften meine Eltern das Grundstück 12a vom Generalbevollmächtigten für das Lippertsche Erbe Herrn Krummel. Dies wurde zum Glück rechtmäßig durch Grundbucheintrag vollzogen, was ja zu DDR- Zeiten nicht unbedingt üblich war. Es begann der Um- und Ausbau und ich erinnere mich, in der Zeit meines Studiums jedes Wochenende hier gerackert zu haben, es stand jedes Mal ein leerer Hänger bereit, der mit Schutt zu füllen war. Die Facharbeiten wurden hauptsächlich durch die Bauunion durchgeführt, zu der mein Vater ja als Fachdirektor beste Beziehungen hatte. Das Ganze lief unter dem Motto „Förderung kinderreicher Familien“, wenn auch die Kinder durchweg schon ein beträchtliches Alter erreicht hatten. In dieser Zeit wurde die Veranda angebaut, die Küche geteilt, wodurch Diele und Küche in der heutigen Form entstanden. Die Zimmer an der Ostseite wurden bewohnbar gemacht- sie waren 1945 nur rohbaumäßig gesichert worden- und ein Teil der Keller erstmals rekonstruiert. Die Kachelöfen wurden entfernt, die Heizungsanlage erneuert, und überall gab es jetzt neue Fenster und einige neue Türen. Eine Elektrotherme sorgte für warmes Wasser im Bad, dies erhielt ein Fenster, ebenso gab es ein zweites Fenster für das Schlafzimmer meiner Eltern (beide Südseite).

1983 verstarb mein Vater Ulrich Vogler und ich übernahm eine schöne und belastende Verantwortung.

1985 kam der Rat der Stadt auf die glorreiche Idee, dass nun 40 Jahre nach Kriegsende keine Ruinen mehr rumzustehen hätten. Besonders in Stadtfeld hatten sich einige erhalten und waren auch noch längere Zeit als provisorische Wohnungen oder Geschäfte genutzt worden. Anfang dieses Jahres sollten nun alle gesprengt werden und vor dem Haus gegenüber (südlich des Rayonhauses) dessen Zusammensacken ich verbotenerweise aus dem Fenster meines Zimmers fotografierte, kam zuerst die Lippertsche Villa an die Reihe, zumindest der Hauptteil. Dazu wurden teils mit Hilfe von Bergsteigern die Verbindungen zum Müllerschen Haus beseitigt, das Gebäude wurde dicht in Nadelbäume verpackt, und es erfolgte die Sprengung- zum Glück ohne Schaden an den angrenzenden Gebäuden 13 und 12a. Den Rest von der Wand der Nr. 13 trugen dann die Bergsteiger ab.

An einem Samstag im Frühling 1985 kam nun die Bezirksleitung der Partei auf die Idee, hier einen Subbotnik zu veranstalten und Ziegelsteine zu klopfen, dies wohl in Erinnerung an die Trümmerfrauen vor vierzig Jahren. Auch wir unsererseits retteten Steine, so viel wir nur konnten. Es gab zwar Ärger, weil ein Kind über die Ruine kletterte; ich weiß nicht mehr genau, wer es war. Und dann wurde ich auch noch angezeigt und musste die auf unserem Grundstück gewonnenen Steine bezahlen. Aber es waren solche Massen, dass wir davon später die Doppelgarage an der Westseite des Hofes und die Mauer bauen konnten.

Eine schier unmögliche Aufgabe war es, die freiliegende Hauswand nun in Ordnung zu bringen, wochenlang stand ich mit Hammer und Meißel auf einer Leiter an der Wand, und nur durch Walter Nahrendorfs Hilfe entstand die Verbindung zu einem, der mir dann ein Gerüst aufstellte, so dass zwei Jahre später schließlich auch diese Wand verputzt war, dann wurden die Zäune gezogen, die 2006 schon wieder gefallen sind, die Doppelgarage wurde gebaut und – kurz nach der Wende- der Hof gepflastert. Nebenbei beschäftigten wir die Gerichte, da ein Gangster, der früher mal Betriebsleiter war, die Garagen auf dem Hof für sich und seine Frau beanspruchte.

Mit der Wende kam es zu einem Rückführungsanspruch von kanadischen Nachkommen der Familie Lippert, der sich auf eine familieninterne Einigung der drei Kinder des Erbauers bezog, die 1953 erfolgt war und das Erbe aufteilte. Sie wurde nun angezweifelt. Die Erbin des Vorbesitzers, aus dessen Nachlass meine Eltern das Grundstück mit Ruinenanteil 1972 gekauft hatten, besuchte uns gleich nach der Wende und wusste davon gar nichts. Die zuständigen Behörden versicherten mir, dass in unserem Falle alles ordnungsgemäß gelaufen war und somit der Antrag keinerlei Erfolgsaussichten haben könnte. Aber Recht haben und Recht bekommen waren schon immer zwei Dinge, und es dauerte immerhin zehn Jahre, ehe die letzte Instanz erreicht war, die dann das Grundstück auf Dauer für anspruchsfrei erklärte; so konnte ich erst jetzt ins Grundbuch eingetragen werden und auch einen Kredit aufnehmen, aber das war nun nicht mehr zwingend nötig, da die wesentlichen Reparaturen und die Rekonstruktion fertig waren und der Rest nun auch in der Tröpfchenmethode vollendet werden wird.

Zwischenzeitlich hatten wir alle Räume meiner Mutter generalüberholt, Bad, Toilette und Küche rekonstruiert, ebenso die gesamte Heizungsanlage, die Hälfte der Keller (mit Sauna), und es wurde 2001 ein Gewölbe (Netzgewölbe) entdeckt und frei gelegt als eine der letzten Erinnerungen an die Lippertsche Villa. Geblieben sind uns auch alle schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern im Keller und in der Toilette.

Als weitere Aufgaben blieben das Neudecken des Hochdaches mit Zinkblech, die Rekonstruktion meiner beiden Zimmer (alles 2006 realisiert) sowie der letzten sieben Keller. Dann aber tropfte Anfang des Jahres 2007 Wasser massiv durch die Decke in das Wohnzimmer meiner Mutter. Es musste geräumt werden, und viele Experten stritten sich, was nun notwendig war. Bis Ostern war mit Hilfe der Firma Spitz das Flachdach völlig erneuert- den April über war zum Glück strahlendes Sonnenwetter in Deutschland und über den Sommer wurden Stahlträger eingezogen und das Wohnzimmer wurde grundsaniert. Wir lebten wochenlang im Dreck, aber als nettes Nebenprodukt wurde das zweite Gewölbe im Flurbereich freigelegt, hier präsentiert sich nun das Ikarusvestibül, und damit ist die Sanierung im Wohngeschoss abgeschlossen.


MDR Sachsen-Anhalt heute: "Mein TraumGarten"

MDR um 11: Frühjahrsputz mit System

Neue Ausstellung in der Stadtfelder Schloßküche

Es warteten nun noch sieben Kellerräume auf die Sanierung. Bedingt durch verschiedene glückliche Umstände und das Herannahen meines 60. Geburtstages entschloss ich mich Anfang 2009, mir nun meinen langfristigen Wunsch nach einer Galerie zu erfüllen. Zu ihrer Eröffnung, die am 06.02.2011 erfolgen wird, werden dann noch vier Kellerräume unsaniert sein, bis zum Ende des Jahres 2013 will ich hier eine weitere Toilette, einen Garderoben- und Lagerraum für die Galerie und einen großen Schlafraum für unerwartete Gäste fertig stellen. Allerdings werden es nach der Sanierung nur noch zwei größere Räume sein. Nebenbei habe ich mich über die Jahrzehnte durch den Garten oder besser den Rest des Lippertschen Parks gefressen und weitestgehend Ordnung geschaffen.

Auf den Ruinenresten, die die Lipperts an der Südseite des Grundstückes aufgeschüttet hatten, entstand der Gertrud-Vogler-Höhenwanderweg, und erwähnenswert ist noch das gerettete Otterslebener Dorfpflaster in der Südwestecke. Im Jahr 2007 wurden Teile des Wanderweges endgültig erneuert, und eine große Pergola wurde im Grenzbereich zur 12b auf die Mauer gesetzt. Pflasterarbeiten, ein Rosenhügel und eine Verlegung und Erneuerung der Kompostanlage wurden bis 2010 realisiert. Damit ist die großflächige Gestaltung des Gartens abgeschlossen. Ein wenig von der ursprünglichen Idee der Weite lebt wohl noch in dem Park, sie wird auch wieder verstärkt durch die Neubebauung auf dem Grundstück 12b und durch das damit verbundene Fallen der Zäune, die also gerade 20 Jahre ihren Dienst getan hatten. Zumindest optisch kehrt die Großzügigkeit der Anlage zurück, die sich ja auch noch auf die gesamte Oase der Glückseligen, wie Müllers Tochter ihr Hinterland und den Emilien- Privatweg zu bezeichnen pflegt, erstreckt.

Auch auf dem Grundstück 12b ist mit dem Wohnturm und dem Badeteich eine ganz sehenswerte Situation entstanden, sodass wir nun gemeinsam am 16.06.2011 zum Tag des offenen Gartens unser Reich der Öffentlichkeit präsentieren wollen unter dem Motto „Gefallene Grenzen“.

105 Jahre ist das Haus alt, über 55 wohnen wir in ihm, und ein guter Abschluss ist jetzt erreicht, der mich sehr glücklich macht, und ich hoffe alle anderen Beteiligten auch.

26.10.2010
Klaus Vogler